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Tag des Buches

Tag des Buches 23.04.2022 - Am 23.04.2022 war Welttag des Buches und sofort kommt uns dabei das Wort lesen in den Kopf. Für die meisten Menschen ohne Sehbeeinträchtigung stellt Lesen eine Selbstverständlichkeit dar. Sei es das Lesen eines guten Romans oder der Beipackzettel vom letzten verschriebenen Medikament. Bei Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung ist dies ein wenig komplizierter.

Bei vielen Tätigkeiten des Alltags verlassen sich Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung meist auf ihr Gehör, wie beispielsweise der Signalton bei einer grün werdenden Ampel. Doch beim Lesen ist dies, außer bei der Nutzung eines Hörbuches, nicht möglich.
Trotzdem gibt es Möglichkeiten, Texte zu lesen. Mithilfe einer besonderen Schriftform, die sogenannte Braille-Schrift bekommen Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung die Möglichkeit, die einzelnen Buchstaben zu ertasten und somit mit den Fingern lesen zu können. Die Braille-Schrift besteht aus vielen Punkten. Dabei bilden immer ein bis sechs Punkte einen Buchstaben, die in drei Zeilen zu je zwei Punkten angeordnet werden. Dadurch können bis zu 64 Buchstaben und Zeichen gebildet werden. Heute reichen diese 64 Zeichen jedoch oft nicht mehr aus, da die Braille-Schrift (Blindenschrift) auch für Computer und im Internet verwendet wird und deshalb auch Zeichen wie „@“ oder „€“ dargestellt werden sollen. Deshalb werden heute statt 6 Punkten oft 8 Punkte verwendet. Für die Benutzung des Computers gibt es extra eine elektronische Braillezeile. Erhöhungen auf der Tastatur machen die Buchstaben greif- und fühlbar. (vgl. BSVW)

Allerdings muss man sagen, dass das Drucken in Brailleschrift ein wenig schwieriger und zeitintensiver ist, denn hier muss ein dickeres Papier verwendet werden. Die Buchstaben werden nicht nur aufgedruckt, sondern in das Papier gestanzt. Hierzu benötigt man einen Drucker mit einer gewissen Sonderfunktion. Zudem benötigen die Bücher meist deutlich mehr Seiten als ein „normales“ Buch. Der Duden besteht beispielsweise aus insgesamt 18 Bänden. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es nicht alle Bücher in Brailleschrift gibt.

Es gibt auch Kurzschreibweisen oder Stenographie-Schriften. Unter dem Begriff Stenographie versteht man eine Schreibweise, wo Wörter durch einzelne Zeichen ersetzt werden. Dadurch werden die Texte meist kürzer, sind aber auch schwerer lesbar.  In Deutschland gibt es extra Büchereien, die sich auf Bücher mit Braille-Schrift spezialisiert haben. So zählen zu den größten Blindenbüchereien die Zentralbibliothek Leipzig und die Blinden-Bibliothek in Marburg. In unserer nächsten Nähe ist die bayrische Blindenbücherei im BBS Nürnberg (Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte) oder die bayrische Blindenhörbuchbücherei in München. Hier sind auch Onlineausleihen möglich. Allerdings muss man erwähnen, dass diese Büchereien meist von Vereinen oder gemeinnützigen Unternehmen betrieben werden (vgl. Bibliotheksportal).

 In Deutschen Förderschulen für Menschen mit Sehbeeinträchtigung ist es ab der ersten Klasse verpflichtend am Unterrichtsfach Braille-Schrift teilzunehmen. Trotzdem ist es leicht erschreckend, wie wenige Menschen mit Sehbeeinträchtigungen tatsächlich und ausführlich die Braille-Schrift lesen können. So beherrschen ca. nur 10 % der Menschen mit Sehbeeinträchtigung die Braille-Schrift (vgl. DBSV).
Eine mögliche Ursache könnte sein, dass man heute mit der Hilfe eines Smartphones die Sprachausgabe immer bei sich hat. Laut DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehinderten Verband) soll aber der Einsatz von Hörmedien in Schulen und Bildungseinrichtungen nicht zur Verdrängung des Erlernens der Braille-Schrift führen (vgl. DBSV). Zudem sollen blinde Schüler*innen einen Anspruch auf das Erlernen der Bedienung eines Computers mit Hilfe einer Braillezeile haben.

Bei uns in der Werkstatt kommt die Braillezeile vor allem in der Pforte zum Einsatz. Hier wurden unsere Beschäftigten mit dessen Umgang geschult und können dies eigenständig benutzen. Auch im Berufsbildungsbereich kommt dieses Hilfsmittel zum Einsatz. So ist es z.B. die wöchentliche Aufgabe des BBB (Berufsbildungsbereich), den Speiseplan in Braille-Schrift zu übersetzen und in der Werkstatt auszuhängen.

Nun noch ein paar Hintergrundinformationen zur Braille-Schrift.  Sie wurde von Louis Braille erfunden. Er lebte von 1809 bis 1852 in Frankreich und war selbst aufgrund eines Unfalls sehbeeinträchtigt bzw. blind. Bereits im Alter von 16 Jahren hat er die Punkte-Schrift als Schüler im Pariser Institut für junge Blinde erfunden. Bis heute hat sich diese Technik bewährt und ermöglicht es sehbehinderten Schülerinnen und Schülern, dieselben Schulbücher zu lesen wie sehende Schüler und Schülerinnen (vgl. LVR Inklusion erleben). Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum laut DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.) 27 % der Schüler*innen mit einer Blindheit die Regelschule besuchen. Allerdings gibt es hier durch die föderale Bildungsstruktur in Deutschland von Bundesland zu Bundeland Unterschiede.

Wir hoffen, wir konnten Ihnen mit diesem Artikel einen kleinen Einblick in die Welt des Lesens für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung geben. Bei Fragen zu diesem Thema oder Anregungen stehen wir Ihnen selbstverständlich zu Verfügung. Vielen Dank fürs Lesen.
 
Viele Grüße
Ihre NWW für ein barrierefreies Lesen!
 
Verwendete Quellen:
bibliotheksportal.de/informationen/bibliothekslandschaft/blindenbibliotheken/?cn-reloaded=1 (zuletzt aufgerufen am 20.04.2022)
www.bsvw.org/wie-lesen-blinde-menschen.html (zuletzt aufgerufen am 20.04.2022)
www.dbsv.org/recht-auf-braille.html#:~:text=Im%20Schulunterricht%20%2D%20sowohl%20an%20speziellen,sich%20in%20deren%20Anwendung%20%C3%BCben.  (zuletzt aufgerufen am 20.04.2022)
 
 
inklusion-erleben.lvr.de/de/nav_main/kinder/mitmaen_wissen/wie_lesen_blinde_/wie_lesen_blinde_1.html (zuletzt aufgerufen am 20.04.2022)
 

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